Die schönsten Orte der Toskana
Natürlich zieht es jeden Toskana-Reisenden in die großen Kulturmetropolen des Landes, doch weil man sich dort die herrliche Architektur, Kunst und Kultur mit Tausenden anderen Besuchern teilen muss, sind die wahren Perlen der kleinen mittelalterlichen Dörfer und Städte, die im folgenden vorgestellt werden, umso kostbarer.
Bagno Vignoni
6 Kilometer von San Quirico d’Orcia unweit der Via Cassia trifft man auf die mittelalterlichen Häuser dieses Thermalstädtchens. Bereits die Etrusker und Römer wussten um die Heilwirkung der heißen Schwefelquellen (50°C) und auch Lorenzo Il Magnifico und Papst Pius II. badeten und kurten hier. Auf den Spuren dieser hochrangigen Besucher wandeln kann man im Renaissance-Palast den die Familie des Papstes, die Piccolominis, sich hier von Bernardo Rossellino als Kurresidenz errichten ließen, denn diese beherbergt heute ein Hotel.
Heilbäder, Massagen, Shiatsu und Ayurveda warten nicht nur im Parco dei Mulini, einer Anlage von Thermalbädern und mittelalterlichen Mühlen, auf die Gäste.
Eine echte Besonderheit dieses Ortes liegt im Übrigen darin, dass sein Mittelpunkt nicht wie üblich durch eine Piazza, sondern durch ein Thermalwasserbecken gebildet wird. Beneidenswert, wer in dieser einmaligen Kulisse aus in Dampfschwaden getauchte mittelalterlichen Gebäuden in heißem Wasser ent-spannen kann.
Barga
Die barca, das Segelschiff, ist das Stadtsymbol dieser berühmten Seidenstadt, die 400 Meter hoch in der Garfagnana liegt und seine Besucher mit einem herrlichen Panorama der Apuanischen Alpen beschenkt.
Etruskische Palazzi, schmale Gässchen, Winkel und Rundbögen prägen das Stadtbild. Diese lange Zeit recht privilegierte und wohlhabende Stadt verlor mit der Vereinigung Italiens im Jahr 186o viele ihrer angestammten Rechte und aufgrund dessen auch zahlreiche ihrer Bewohner, die in großer Zahl nach Amerika und Argentinien auswanderten.
Die meisten der prächtigen Bauwerke Bargas sind noch dem unter der Medici-Herrschaft einsetzenden Bauboom zu verdanken.
Am höchsten Punkt des historischen Zentrums beeindruckt der Duomo San Cristoforo mit seinem Zin-nenturm. Die romanisch-lombardische Fassade der Basilika aus dem 10. Jahrhundert stammt noch von deren Vorgängerbau aus dem 5. Jahrhundert. Im Innern birgt sie eine von Löwen getragene romanische Marmorkanzel aus dem 13. Jahrhundert von Guido Bigarelli, wunderschöne Reliefs aus dem 12. Jahr-hundert von Nicola Pisanos und eine eindrucksvolle Holzstatue des Heiligen Christopherus.
Vom Domplatz, dem Arringo, aus bietet sich den Besuchern ein unbeschreiblicher Blick auf das Serchio-Tal und den 1858 Meter hohen Gipfel Pania di Croce.
Zu dessen Füßen liegt die größte Tropfsteinhöhle Europas, die Grotta del Vento (Grotte des Windes). Es werden verschiedene Wandertouren durch die Höhle angeboten, die mit Wasserfällen, kristallklaren Seen und tiefen Abgründe, wie dem 50 Meter tiefen „Schlund des Giganten“ fasziniert.
Museale Sehenswürdigkeiten bieten die archäologischen Fundstücke des Museo Civico und die Casa Pascoli, ein Museum zur Erinnerung an den hier lebenden Poeten Giovanni Pasoli.
Eine Marienerscheinung im Jahre 1000 n. Chr. führte zur Errichtung der Wallfahrtskirche „Eremo di Calomini“, die in eine Felswand eingelassen mehrere Meter tief in eine Grotte reicht.
Um das hübsche Paket aus herrlicher Landschaft, sanfter Atmosphäre, interessanter Kunst und Kultur noch abzurunden, bietet Barga mit dem Festival Opera di Barga und Barga Jazz noch zwei hochklassige Sommerfestivals.
Campiglia Marittima
Allein schon wegen des unglaublichen Ausblicks den man von der Porta a Mare aus auf die Küste genießt, ist Campiglia Marittima einen Besuch wert. Auch von der Stadtmauer aus kann man sich eigentlich nicht satt sehen an der olivgrünen Ebene, den Bergen, dem malerischen Friedhof der Pieve San Giovanni und am Meer.
Die Etrusker bauten hier noch Kupfer, Blei, Eisen und Zink ab. Nördlich von Campiglia Marittima wurden Öfen für die Kupferverarbeitung aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert gefunden. Heute ist die Landwirtschaft der Haupterwerbszweig der Stadt.
Über diesem Bilderbuchstädtchen des Mittelalters mit dem Palazzo Pretorio (12. – 15. Jahrhundert) auf der Piazza della Repubblica, dem Teatro dei Concordi und der Pfarrkirche San Giovanni aus dem 12. Jahrhundert, thronen die Ruinen der Rocca San Silvestro, im 11. Jahrhundert für die Gherardesca erbaut.
Certaldo
Cerrus Altus, Baum bedeckter Hügel so der passende römische Name für das kleine Örtchen Certaldo, das auf Überresten seiner etruskischen und römischen Vorgänger erbaut wurde. Es teilt sich in eine mit einer Zahnradbahn zu erreichende Oberstadt, vollständig aus rotem Backstein errichtet, und in eine auch Castello genannte Unterstadt auf.
Berühmt als Geburts- und Sterbeort von Giovanni Boccaccio (1313 – 1375), Autor der Novellensammlung Decamerone, ist Certaldo mit seinen alten Gemäuern und den Kopfstein gepflasterten Gassen wie die Via Boccaccio oder der Via Rivellino ein wahres mittelalterliches Juwel.
Der Palazzo Pretorie aus dem 12. Jahrhundert, einst Residenz des von Friedrich Barbarossa eingesetzten Graf Alberti, bietet heute nicht bloß Ausstellungen und Konzerten Raum, sondern birgt neben der alten Kapelle und dem mittelalterlichen Kerker einen mit wunderschönen Fresken von Benozzo Gozzoli ge-schmückten Sala delle Udienze.
Im Geburts- und Sterbehaus Boccaccios, die Casa del Boccaccio, sind heute die Forschungsstelle für Boccaccio-Studien und eine der Öffentlichkeit zugängliche Bibliothek mit Literatur zum Dichter unter-gebracht. In der unmittelbar daneben liegenden Chiesa Santi Jacopo e Filippo aus dem 13. Jahrhundert, verziert mit zahlreichen Terrakotten der della Robbia, wurde Boccaccio beerdigt. Die Kirche birgt auch das Grabmal der Beata Giulia, von der die Legende behauptet, dass sie 30 Jahre lang eingemauert in einer Zelle neben der Kirche gelebt haben soll.
Wenn sich schon derart vieles um den berühmtesten Sohn der Stadt dreht, darf auch eine „Boccaccesca“, ein kulinarisches Fest im November mit dem Besten der toskanischen Küche, nicht fehlen. Im Juli hin-gegen bevölkern im Rahmen der „Mercantina“ Gaukler, Musikanten und Geschichtenerzähler die Stadt.
Lucignano
Mit seinen alten Steinhäusern, Toren, Stadtwällen und der Rocca samt ihrer Wehrtürme ist Lucignano eine echte Schatzkammer des mittelalterlichen Städtebaus in der Valdichiana. Das Flair des Mittelalters setzt sich in der dem Erzengel Michael geweihten Kollegiatskirche sowie in der romanischen Kirche San Francesco mit Fresken von Bartolo fi Fredi aus dem 14. Jahrhundert fort. Auch das Museum im Palazzo Comunale weiß mit Werken von Luca Signorelli und Pietro Giovanni zu beeindrucken, doch seine ei-gentliche Hauptattraktion ist der „Baum von Lucignano“, ein etwa 2 Meter hoher mit Kupfer, Silber, Bergkristallplättchen und Korallenästen geschmückter goldener Reliquienschrein.
Eintauchen in vergangene Zeiten kann man auch auf der „Maggiolata Lucignanese“ im Mai, wenn histo-rische Blumenwagenumzüge, Tänze und Gesangwettbewerbe stattfinden.
Roccalbegna
Über dem Albegna-Fluss türmt sich am Monte Labbro ein steiler Felsen samt Festungsturm auf und macht so weithin auf die Backsteindächer dieses mittelalterlichen Weilers aufmerksam. Von der einst mächtigen Rocca sind nur noch Überreste zu sehen. Im Zentrum wartet jedoch die romanische Kirche Santissimi Pietro e Paolo (13. Jahrhundert) mit dem Triptychon Madonna delle Ciliege, Paulus und Petrus von Ambrogio Lorenzetti auf. Weitere Kunst- und Kirchenschätze sind im Museum für sakrale Kunst und im einstigen Oratorio del Santo Crocifisso (1388) unter anderem mit dem Kruzifix des Luca di Tommè (1360) und Gemälden Francesco Nerinis zu sehen.
San Quirico d’Orcia
Durch die einst wichtigste Route durch die Toskana, der Via Cassia, strategisch günstig und 45 Kilometer von Siena gelegen, ragt San Quirico d’Orcia hoch über den Flusstälern von Orcia und Asso.
Etruskischen Ursprungs, sind noch Reste der Festungsanlage dieser Zeit zu sehen.
In diesem mittelalterlichen Fleckchen wurde in Jahr 1154 über Friedrich Barbarossas Krönung zum Kaiser entschieden. Zur Erinnerung an diese Begegnung zwischen Barbarossa und den Abgesandten des Papstes Hadrian feiert man hier alljährlich im Juni die „Festa del Barbarossa“ mit Aufführungen in historischen Kostümen, Armbrustschießen und einem reichhaltigen Angebot lokaler Spezialitäten.
Im Ortskern liegt die Piazza Libertà mit der Kirche San Francesco und den herrlich angelegten Renais-sance-Gärten Horti Leonini aus dem 16. Jahrhundert. Ebenso sehenswert ist die Via Dante Alighieri mit dem im Auftrag von Kardinal Flavio Chigi 1679 errichteten Barockpalast „Palazzo Chigi“ und der ro-manischen Chiesa Santa Maria Assunta aus dem 11. Jahrhundert. Beeindruckend sind auch die Portale der Collegiata di Orsenna, die auf der Westseite lombardische Gestaltungselemente tragen, während die Tore auf der Südseite romanisch-gotisch geprägt sind. Im Innern des romanischen Baus des 12. und 13. Jahrhunderts kann man das Chorgestühl des Antonio Basili (1490) und das farbenreiche Triptychon von Sano di Pietro mit Darstellungen der Madonna, Johannes des Evangelisten und Johannes des Täufers aus dem Jahr 1470 bewundern.
Wer sich schon zur „Festa del Barbarossa“ von der Feierlaune der Einwohner hat anstecken lassen, der kehrt im Dezember zur Verkostung des neuen Olivenöls im Rahmen der Festa dell’olio sicherlich zurück.
Santa Fiora
Pittoresk ist eigentlich gar kein Ausdruck für dieses überaus hübsche Städtchen am Monte Amiata in der Provinz Grosseto. Auf nicht ganz 700 Meter residierten hier die Grafen der Aldobrandeschi im 11. und 12. Jahrhundert. Auf den Ruinen ihrer Burg erbaute man die Piazza Garibaldi mit dem Renaissancepalast „Palazzo Sforza-Cesarini“ und dem Uhrturm.
Südwestlich liegt die zauberhafte, aus Vulkangestein errichtete Altstadt Borgo mit dem Kloster Santa Fioro e Lucilla, welches unzählige Terrakotten von Giovanni und Andrea della Robbia birgt, und dem einstigen jüdischen Ghetto. An einigen Häusern der Altstadt finden sich noch reich mit Figuren verzierte Balken aus Lavagestein. Talwärts, im Stadtteil Montecatini staut sich das Wasser der Fiora in der „Pescheria“, einem Forellenteich auf dem auch Schwäne anmutig ihre Bahnen ziehen und der von einem netten Park mit zahlreichen Picknickplätzen umgeben ist. Wie in jeder italienischen Gemeinde wird auch hier Wert auf Tradition gelegt und im Mai die „Festa delle Croci“, eine Kruzifixprozession und im Juli der „Palio delle Sante“, ein Bogenschützenturnier begangen.
Scarperia
Noch nicht genug von all den Superlativen der hübschesten und sehenswertesten Orte? Dann sei hier noch der wohl schönste Ort des Mugello vorgestellt.
Wobei gleich zu Beginn erwähnt sein muss, dass eine Superlative der rasanten und lautstarken Art die hier auf einen wartet, nicht zur Freude aller gereicht. Gemeint ist das etwa 170 ha große Gelände des in den 1970er Jahren errichteten Autodromo Internazionale del Mugello, auf der Ferrari seine Testfahrten durchführt und Formel 1 und Motorradrennen stattfinden.
Dem Charme des seit Jahrhunderten für seine „schneidenden Eisen“ berühmten Städtchens kann dies jedoch nichts anhaben. Im Museo di Ferri Taglienti erhält man einen umfassenden Einblick in die Handwerkskunst der Herstellung von Schneidewerkzeugen. Untergebracht ist das Museum im festungs-ähnlichen Palazzo dei Vicari mit seinem Zinnen bekrönten Turm in dem einst die Florentiner Statthalter ihre würdige Residenz fanden. Entworfen durch Arnolfo di Cambio ist der Palast nicht nur reich an wunderschönen Wappen, sondern besitzt einen phantastisch dekorierten Ratssaal.
Auch die Kirche Santissimi Jacopo e Filippo samt Glockenturm und die Renaissancekapelle Oratorio della Madonna dei Terremoti, die einen Tabernakel des Andrea della Robbia ihr eigen nennt, sollte man bei dem Besuch dieser Stadt nicht außer acht lassen.
Um die Figur der Madonna, geschaffen von Filippino Lippi, rankt sich eine schöne Legende. Wundertätig faltete die Statue bei einem schweren Erdbeben im Jahr 1542 ihre Hände und soll derart für die Bewohner des Ortes gebetet haben.
Sovana
Zurück in die Vergangenheit heißt es bei einem Besuch Sovanas. Bereits im 8. Jahrhundert v. Chr. war das etruskische Suana besiedelt, wovon die vielen etruskischen Grabstätten der Umgebung auch heute noch zeugen. Auch die Römer zogen hierhin und auch die Aldobrandeschi errichtet sich hier eine Residenz. Hier wurde Ildebrando (Hildebrand), der spätere Papst Gregor VII., geboren, der Heinrich den IV zum bekannten Bußgang nach Canossa nötigte. Doch der einstige Bischofssitz wurde bis weit ins 18. Jahrhundert hinein dann unverständlicher Weise sich selbst und damit dem Verfall überlassen. Den Rettungsversuchen sei Dank, hat sich der Ort mit seinen Tuffsteinhäuschen heute wieder zu einer Schönheit gemausert.
Von der Rocca Aldobrandeschi (11. – 13. Jahrhundert) sind nur noch die Ruinen zu sehen, doch der Mittelpunkt des Ortes, die Piazza Pretorio weiß mit dem Palazzo Pretorio, dessen Loggetta del Capitano aus dem 13. Jahrhundert und dem Palazzeto dell’Archivo nachhaltig zu beeindrucken. Links davon glänzt der Renaissance-Palast Palazzo Bourbon del Monte (16. Jahrhundert) und daneben die Kirche Santa Maria aus dem 12. Jahrhundert. Deren größte Attraktion ist das kostbare vorromanische Ziborium, ein Säulen getragener Altarbaldachin aus Travertin aus dem 8. Jahrhundert.
Das größte Bauwerk Sovanas ist der Duomo Santi Pietro e Paolo, errichtet zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert, der mit dem Hauptportal und der Säulenkrypta noch Teile des Vorgängerbaus aus dem 8. Jahrhundert aufweist.
In der Gegend um Sovana liegen die meisten Nekropolen der Toskana. Die Gräber aus dem 3. – 2. Jahr-hundert v. Chr. zeugen von der besonderen Verehrung der Toten, für die eigenen Städte gebaut wurden, und präsentieren die ganze Vielfalt etruskischer Begräbnisstätten. Letztere reicht von den vornehmen Tempelgräbern (Tomba del Tempio) bis zu den Colombarien (Taubenschläge) die gerade einmal für die Urne Platz boten.
Die gesamte Ausgrabungsstätte ist für Besucher zugänglich. Übersichtstafeln erleichtern die Orientierung. Als eindrucksvollstes Grab kann das terrassenförmig angelegte Tomba Ildebranda gelten, dessen Nachbau man im Museum Sovanas betrachten kann, aber auch das Ädikulagrab Tomba del Tifone aus dem 2. Jahrhundert und das Tomba della Sirena (3. – 2. Jahrhundert), mit dem Relief einer Meerjungfrau, sind imposante Beispiele etruskischer Grabmale.
Unweit der Nekropole beginnt der Cavone, ein in den Tuffstein gehauener Hohlweg, der Reisenden Schutz vor widrigen Witterungsverhältnissen bieten sollte, und auf dem man heute noch ein wenig in Richtung der Berge spazieren kann.